Viele Woffenbacher kennen das
Marterl, das nach wenigen hundert Metern im Wald auf dem Weg zur Hohen Ant,
an einer großen Fichte angebracht ist. Es zeigt im Vordergrund einen
knienden Bauern vor einem mit Holz beladenen Wagen, im Hintergrund sind
drohend französische Soldaten zu sehen. Als Jahreszahl ist 1796 angegeben,
ein Name fehlt.
Viele haben sich schon gefragt,
welche Bewandtnis es mit diesem Marterl auf sich hat. Auf welches Ereignis
nimmt es Bezug? Wer hat es anfertigen lassen und an dieser Stelle
angebracht?
Die historischen Ereignisse um dieses
Marterl sollen hier erzählt werden, wird doch an dieser Stelle eine Episode
der langen Geschichte Woffenbachs augenfällig.
Im Jahr 1796 hatte sich der
bayerische Kurfürst Karl Theodor im Krieg gegen das revolutionäre Frankreich
Österreich angeschlossen. Als die österreichischen Armeen den Vormarsch der
Revolutionsarmeen nicht aufhalten konnten, stießen diese nach Oberbayern und
in die Oberpfalz vor. In der zweiten Augustwoche des Jahre 1796 zogen sich
die kaiserlichen Truppen Richtung Amberg zurück. Am 15. August erreichte
schließlich die französische Vorhut Neumarkt, die Hauptmacht unter General
Bernadotte folgte am 17. August. Mittlerweile hatten die kaiserlichen
Truppen ihren Rückzug gestoppt. Zu einem ersten Scharmützel kam es am 20.
und 21. August um Batzhausen, eine größere Schlacht entwickelte sich am 22.
August um Deining. Die geschlagenen Franzosen zogen sich noch am 22. August
nach Neumarkt und die angrenzenden Dörfer zurück. Die folgende Nacht wurde
für die Bewohner Woffenbachs schließlich zur Schreckensnacht. Das Dorf wurde
von den französischen Truppen geplündert. Vereinzelt hatte es in den Tagen
zuvor auch schon Plünderungen und Vergewaltigungen gegeben, die Nacht vom
22/23. August übertraf aber alles bisher Erlebte.
Für die Ereignisse in Woffenbach gibt
es keinen Chronisten, die Geschehnisse lassen sich aber aus einem amtlichen
Dokument rekonstruieren, das am 25. Oktober 1796 angefertigt wurde. In
diesem Verzeichnis werden penibel alle Kriegsschäden, die die zur Hofmark
gehörigen Einwohner Woffenbachs erdulden mussten, aufgelistet.
Sehr hoch war der Schaden, der durch
den Raub von Geld und Schmuck entstanden war. Er belief sich auf insgesamt
1236 Gulden. Das Schadensinventar führt 26 Geschädigte auf. Den größten
Verlust mussten Michael Burger mit 150 Gulden, der Austrägler Georg Kraml
mit 400 Gulden und Johann Kollmayr mit 335 Gulden hinnehmen. Aus 15 Anwesen
entwendeten die Soldaten Getreide wie Gerste und Roggen, aber auch
gebackenes Brot. Der Schaden belief sich hier auf 75 Gulden. Am meisten
verloren hierbei Johann Gärtner und Georg Thumann. Auch Heu und Stroh wurde
requiriert. So verlor allein Georg Deinhard Heu im Wert von 25 Gulden.
Rind-, Schweine- und Lammfleisch im Wert von 83 Gulden stahlen die Franzosen
aus 10 Höfen. Der Verwalter des Schlosses bezifferte seinen Verlust auf 200
Pfund Schweinefleisch im Wert von 50 Gulden. Groß war auch der übrige
Schaden, der im Schloss angerichtet wurde. Gerätschaften aus Messing und
Zinn wurden im Wert von 29 Gulden geplündert. Sehr viel schwerwiegender war
der Verlust von 4 Pferden und zwei Rindern für den Gutsverwalter. Immerhin
konnte er die Rinder für 54 Gulden wieder auslösen.
Lebendige Schweine im Wert von
insgesamt 52 Gulden wurde in dieser Nacht den Bauern Leonhard Prantl, Georg
Deinhard und Georg Lehenmayer gestohlen. Groß war der Verlust beim Geflügel.
Aus 22 Anwesen wurden Hühner, Gänse und Enten im Wert von 90 Gulden
entwendet. Aber auch Lebensmittel aller Art ließen die Franzosen mitgehen.
Dem Mathias Scharl stahlen sie beispielsweise 10 Pfund Schmalz. Besonders
begehrt waren anscheinend Weißbier und Branntwein.
Gebrauchen konnten die Plünderer aber
auch Tuch, Leinwand, Kleider, Wäsche, Seiden- und Wollware. Besonders
betroffen waren hierbei Georg Liederer, Georg Münch und Martin Burger. Aber
auch aus dem Schloss wurde eine große Anzahl von Kleidungsstücken
mitgenommen. Geplündert wurden aber auch Schuhe und Stiefel, wie z. B. dem
Moritz Pickl ein Paar neuer Stiefel im Wert von 1 Gulden und 54 Kreuzer.
Anscheinend konnten die Soldaten
alles brauchen. Sie ließen aus sechs Anwesen Eisen- und Schmiedearbeiten wie
Ketten mitgehen, dem Georg Deinhard erleichterten sie um einen Schubkarren.
Martin Burger verlor sein Gewehr und einen Hirschfänger im Wert von 12
Gulden.
Daneben werden noch eine Reihe von
Gebäudeschäden aufgeführt. Bei sieben Häusern verschafften sich die Soldaten
Zutritt, indem sie die Fenster einschlugen. Sebastian Kranzer erlitt dabei
z. B. einen Schaden von 5 Gulden. Aber auch Hauseinrichtungen gingen zu
Bruch. So bei Martin Burger ein Wassereimer, bei Konrad Polster ein
Wasserschaff, bei Georg Lehenmayer eine Truhe und Geschirr und bei der
Margarethe Kranzer wurden Truhen und Kasten demoliert.
Die Franzosen richteten auch auf
Feldern und Wiesen Schäden an, sie beliefen sich auf 76 Gulden. Nicht
zuletzt wurde auch Bau- und Brennholz im Wert von 47 Gulden requiriert. Die
betroffenen Bauern waren Georg Forster, Johann Klein, Kohann Kollmayr, Georg
Münch, Leonhard Präntl, Johann Seidl, Georg Deinhard, Georg Kraml, Georg
Lehmayer, Johann Thonhauser und Johann Päumel. Dass einer der Genannten der
Stifter des Marterls war, ist aber unwahrscheinlich. Bleibt noch eine
Möglichkeit. In der Rubrik Schäden "In Waldungen, dann Privat- und
Gemeindehölzern" wird Johann Gärtner angeführt, dem "Erlen abgehaut" wurden.
Der auf dem Marterl zu sehende
Holzwagen führt uns aber in die Irre. Es geht nicht um eine Ladung Holz, im
August sowieso rätselhaft. Unser Augenmerk muss sich auf die Zugtiere
richten. Wie oben bereits angeführt, verloren die Woffenbacher Bauern keine
Kühe an die Franzosen. Der Grund lag darin, dass sie ihr Vieh im Wald
versteckten, um es vor dem Zugriff der Soldaten in Sicherheit zu bringen.
Aus Dankbarkeit über die Rettung seiner Tiere vor den herumstreifenden
Franzosen ließ Konrad Iberl diese Gedächtnistafel anbringen. Sein Enkel
Michael Iberl erzählte dies 1904 dem Schlossbesitzer Alfred Bischoff. Als
dann später das Marterl renoviert wurde, zeichnete man in Unkenntnis der
Situation einen Holzwagen mit auf die Tafel.
Es ging um die Rettung des wertvollen
Viehbestands, nicht um einen mit Holz beladenen Wagen. Dies gibt dem Marterl
seinen ursprünglichen und verständlichen Sinn.
Dr. Josef Seger |